Nach der Flaschengärung, dem „Versekten“, des Champagners, bei dem er seine begehrten prickelnden Bläschen bekommt, gewährt man dem Wein eine wohlverdiente Ruhephase. Mindestens 12 Monate für Champagner ohne Jahrgang, mindestens 36 Monate für Jahrgangschampagner, nach den Vorschriften der Appellation d’Orignine Champagne. In Wirklichkeit ist es aber eine Arbeitsphase, ruhig und bedachtsam, während der die Zeit den Geschmack, vor allem aber den Duft jeder Cuvee verfeinert.
Je nach Potential der Weine und im Zusammenhang mit der gewünschten Reife, altern die Weine oft wesentlich länger als die vorgeschriebene Zeit auf dem Feinhefebett in der Flasche. Viele „einfache“ Champagner ruhen daher etwa 2 bis 3 Jahre, und Jahrgangsweine und „grosse“ Cuvees werden sogar erst nach 4 bis 10 Jahren aus den Kellergewölben hervorgeholt.
Für Nathalie Vignier gibt es keinen Zweifel: „Die Weine gewinnen an Komplexität und reifen Aromen. Die Zeit auf der Feinhefe tut ihnen sehr gut.“
Wenn das Bouquet eines jeden Champagners auch vor allem vom Charakter der ursprünglichen Weines abhängt, so beobachtet man doch eine generelle Tendenz in der Entwicklung der Weine während der Flaschenreifung.
„Zuerst entwickeln sich blumige Aromen, sowie den Duft von Zitrusfrüchten. Später Pfirsich oder Birne, bis hin zu Butter, Toast, Trockenfrüchten...“
Schauen Sie sich hier die Aromakarte des CIVC an
Je nach Wein, dessen aromatisches Potential unter anderem von den Rebsorten, dem Terroir und der Traubenreife abhängt, erlaubt die Flaschenreifung auf der Feinhefe den aromatischen Charakter des Champagners zu kreieren: Frisch und fruchtig bei kürzerer Reifezeit, würzig und herb nach langen Jahren.
Ich weiss, dass Burgund kein Maßstab für alles ist, aber es ist sicherlich ein Maßstab für Chardonnay. Zumindest ebenso sehr, wie die „Côtes des Blancs“ in der Champagne...
Da ich eher an fruchtige und mineralische Champagner gewöhnt bin, überrascht mich die aromatische Reichhaltigkeit des Clos l’Abbé (Abbé = französisch für Abt) zunächst. Es ist die erste „fertige“ Flasche, die Hubert für mich zum probieren öffnet. Der Wein hat während der letzten Monate der Flaschenreifung viel an Volumen und Komplexität gewonnen, und ich weiß, dass dieses nicht nur von der „Dosage“ her stammt, da der Wein mit seinen 5 Gramm Restzucker pro Liter gerade mal ein Extra brut ist.
Im Glas gibt sich der Abt elegant und fein, mit silbrig glänzender Farbe und feinen und leicht sprudelnden Bläschen. In der Nase rieche ich zunächst Trockenfrüchte, frische Aprikosen und Marzipan, bereichert durch leichte Rauch- und Röstaromen, die nach einigen Minuten aus dem Glas aufsteigen. Ein junges und zugleich reifes Bouquet.
Reichhaltig und vollmundig, der Abt ist wohl beleibt! Eine leichte Tanninstruktur im Abgang gibt ihm Relief und Kraft. Das Finale ist reichlich lang, geprägt von mineralischer Säure, delikatem Sprudeln und angenehm reifen Aromen. Alles in allem ein saftiger und schmackhafter Tropfen, den man von Anfang bis Ende genießt, ein vollständiger Wein und hervorragender Wegbegleiter für Ihre Geschmackspapillen.
Er passt gut zu cremigen Käsesorten, wie Brillat-Savarin oder Chaource, zu fetthaltigen Fischsorten, sowie zu Hummer und Flusskrebsen. Ich würde es sogar wagen, ihn zu Fasan oder Rebhuhn und frischen Steinpilzen zu servieren.
Ein Wein, der seine Fingerabdrücke auf Zunge und Gaumen hinterlässt, wie ein großer Meursault...
Wenn der Charakter eines guten Champagners, wie für alle Weine, auch im Weinberg entsteht, so wird seine Qualität wesentlich vom Vorgang des Traubenpressens bestimmt. Traditionell benutzt man in der Champagne vertikale Traubenpressen mit einem Fassungsvermögen von 4000 kg, oder dem Vielfachen davon. Presse, Raum und Tanks sind genormt und werden vom CIVC (Comité interprofessionnel du vin de Champagne) und der INAO (Institut national des appellations d’origine) geprüft und abgenommen.
Die Trauben werden nicht entrappt und im Ganzen gepresst, was unter anderem zum Vorteil hat, dass der Most einfach aus dem Presskuchen abfließt. Außerdem wird er so gefiltert und ist daher besonders „sauber“ und klar.
Der aus den Trauben gewonnene Most wird je nach Charakter und Qualität fraktioniert. So unterscheidet man die „cuvée“, dem ersten Teil des abfließenden Mosts, von der „taille“, dem späteren, bei höherem Druck gewonnenen Most. Um den Pressvorgang zu erleichtern, werden außerdem sogenannte „retrousses“ durchgeführt. Dabei werden die Trauben am Rand des Presskuchens per Hand zur Mitte hin umgeschichtet. Im äußeren Bereicht ist der Druck nämlich geringer und die Trauben bleiben intakt.
Nach mehreren Stunden des „Ladens“, Umschichtens und Leerens der Presse, erhält man so genau 2050 Liter cuvée und 500 Liter taille pro 4000 kg Trauben. Mehr ist nach der Produktionscharta der Champagne nicht erlaubt.
Während meines letzten Besuchs bei Nathalie und Hubert im Dezember (ich liebe es, am Jahresende die Champagne zu besuchen), baten sie mich, die nachstehenden Photos der letzten Ernte ins Internet zu stellen. Gesagt, getan.
Die Photos wurden im September vergangenen Jahres in Cramant aufgenommen. Eine Woche Traubenlese unter grauem, aber regenfreien Himmel, um die Chardonnay-Trauben der Côtes des blancs zu ernten. Eine schnelle Ernte, mit Hilfe hunderter von Händen durchgeführt, denn alle weit verteilten und teils nur wenige Ar große Rebgärten werden per Hand gelesen.
Eine äußerst kurze und intensive Erntezeit, typisch für Regionen, die mehrheitlich eine einzige Rebsorte kultivieren. Trotz Unterschiede zwischen den verschiedenen Lagen, sind die Trauben fast alle zur gleichen Zeit reif. Hinzu kommt noch, dass man zur Herstellung von Champagner und Schaumwein allgemein einen recht geringen Reifegrad ansteuert, um die Säure und frische Aromen zu erhalten.
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