Ich gebe zu, die Frage scheint etwas übertrieben. Es gibt andere Rebsorten, die diesen Titel mindestens gleichermaßen verdienen: Shavkapito au Georgien, Grüner Veltliner aus Österreich, Folle noir aus Fronton...
Im allgemeinen zählt man Sauvignon blanc, Mutter des Cabernet sauvignons nach einer flüchtigen Liaison mit dem Cabernet franc, seit langem in der Loire und in der Region zuhause, zu den aromatischen Rebsorten. Inzwischen macht der SB aber auch in verschiedenen IGPs, früher mal „Vin de Pays“ genannt, von sich reden. Man könnte sagen, dass SANCERRE sein am höchsten dekorierter Botschafter ist und SAINT BRIS im Burgund sein best behütetes Geheimnis. Neuseeland hat der Rebsorte den gewissen „HYPE“ gegeben und ist nach wie vor unangefochtener Sauvignon-Star der südlichen Halbkugel. Im übrigen hat sich die Rebsorte in allen Weinbauregionen, die etwas auf sich halten angesiedelt, und ist schon fast zu einer weltweiten Eigenmarke geworden.
Zum Protzwein abgewandelt
Oft frisch und herb am Gaumen, wird das Parfum von Sauvignon oft mit Worten wie „Ginster, Buchsbaum, Grapefruit, Passionsfrucht oder auch Rauch und Feuerstein“ umschrieben. In vielen Fällen beruft man sich aber auch auf „Katzenpipi“, was man ganz frei als „Ginster, Buchsbaum, Grapefruit, Passionsfrucht oder auch Rauch und Feuerstein in Proletenversion“ übersetzen könnte. Denn eine aromatische Rebsorte schlägt gerne viel Krach im Glas und fragt selbstherrlich „hast Du meine Muskeln denn auch gesehen?“ Ein Charakterzug, der sich meist nur schlecht mit Eleganz und Raffinesse in Einklang bringen lässt. Das gilt übrigens im gleichen Masse für Muskat und Gewürztraminer.
Aber heute liebe ich ihn!
Seien Sie beruhigt, den guten, großherzigen, schmackhaften und großartigen Sauvignon blanc gibt es auch! Aber oft gestört von seinem aufdringlichen Bouquet, musste ich erst lernen, ihn zu genießen. Dazu habe ich mich Monate, beziehungsweise Jahre lang ohne Zögern dem Sauvignon blanc gestellt, wo immer ich auch nur einer Flasche habhaft werden konnte: Sauvignon Pays d’Oc, Sauvignon aus Deutschland und Neuseeland, hergestellt in Südafrika oder Italien, an der Loire oder im Burgund, im spanischen Penedes oder im französischen Entre-Deux-Mers. OHNE FURCHT UND TADEL! Ich habe sie (fast) alle ausprobiert, um letztlich zu folgendem Schluss zu gelangen: Wenn man als Rebsorte ohne sich zu scheuen eine solche aromatische Wucht an den Tag legt, muss man tatsächlich ein wenig verrückt sein. Aber, wenn der Sauvignon b. sich am richtigen Ort und in den richtigen Händen befindet, dann ist es tatsächlich eine großartige Rebsorte.
Jean-Louis Bersan, Winzer in Saint Bris, sagte mir einmal folgendes: „Finesse und Eleganz in einem Wein aus einer solch aromatischen Rebsorte zu finden, ist der Beweis dafür, dass es sich im Grunde um sehr viel mehr handelt, als NUR um eine aromatische Rebsorte...“