Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es fünf verschiedene Geschmacksrichtungen, die wir im Mund erkennen können: süß, salzig, bitter, sauer und umami. Nun muss wahrscheinlich einer sechsten Komponente unserer Nahrungsmittel ein Geschmack zuerkannt werden, der man bisher nur eine Rolle bei der Konsistenz zuschrieb: Fett hat Geschmack!
Ernährungswissenschaftler und andere Experten haben seit jeher behauptet, dass Fett nur eine Rolle bei der Konsistenz unserer Nahrung spielt, und dass es für sich alleine genommen vollkommen frei von Geschmack sei. Man gestand höchstens, dass Fett die Rolle eines Geschmacksträgers zukomme, der verschiedene Geschmacks- und Duftstoffe aus unserer Nahrung verstärkt, und zudem für ein gewisses Gefühl von „Vollmundigkeit“ verantwortlich sei.
Forschungsergebnisse von Richard Mattes, Professor für Ernährungswissenschaften an der Universität Perdue Indianapolis, zeigen jedoch, dass Fett durchaus Geschmack hat.
Der erste Mensch, der Fett einen Geschmack zuschrieb, war der französische Physiker und Philosoph Jean Fernell (bekannt vor allem durch die Prägung des Begriffs „Physiologie“), der im 15. Jahrhundert lebte. Da der Mechanismus einer möglichen Geschmackserkennung für Fett aber unbekannt blieb, hielt die moderne Wissenschaft dieses jedoch für unmöglich. Studien, die in den letzten Jahren an Ratten unternommen wurden, zeigten allerdings, dass die Tiere fetthaltige Nahrung durchaus erkennen können und diese sogar oftmals einer „Light“-Variante vorziehen.
In früheren Studien hatte Mattes entdeckt, dass der Blutfett-Spiegel anstieg, sobald man Menschen fettige Nahrung in den Mund legte. Für seine weiteren Studien benutzte er diese messbare Reaktion als Indikator für die Erkennung von Fett in der Nahrung. Das Ziel seiner folgenden Forschungen war, zu erkennen, ob Menschen in der Lage sind Fett zu schmecken oder zu riechen. Dazu gab er einer Reihe von Testpersonen fetten Käse zu essen und verfolgte den Anstieg des Fett-Spiegels in ihrem Blut. Einer zweiten Gruppe von Testpersonen gab er ebenfalls fetten Käse zu essen, jedoch trugen die Versuchspersonen eine Nasenklammer, sodass sie den Käse lediglich schmecken und nicht riechen konnten. Einer dritten Gruppe wurde gar kein Käse verabreicht, und ihre Blutwerte dienten als „Nullwert“ der Untersuchung.
Während der Blutfett-Spiegel bei der „Nullgruppe“ konstant blieb, stiegen sie um das dreifache in den beiden anderen Versuchsgruppen, ungeachtet dessen, ob die Testpersonen den fetthaltigen Käse nur schmecken, oder riechen und schmecken konnten.
„Die Ergebnisse zeigen, dass die Reaktion auf das Fett in der Nahrung geschmacklicher Natur ist. Der menschliche Körper reagiert auf den Geschmack und nicht auf den Geruch“, sagt Mattes. „Ich frage mich, ob der zweifelhafte Erfolg von Fett-Ersatzstoffen in Nahrungsmitteln nicht daher rührt, dass man den wahren Mechanismus der Fetterkennung bisher falsch verstanden hat.“
Aus evolutionärer Sicht könnte ein Geschmackssinn für Fett ähnliche Vorteile gebracht haben, wie der Geschmackssinn für umami, der auf die Erkennung von Glutamat in proteinreicher Nahrung basiert. Zu Zeiten, in denen unsere Vorfahren nach Nahrung suchten und jagten, statt in den nächsten Laden zu gehen, brachten das Erkennen und der Verzehr von proteinreicher und fettiger Nahrung sicherlich einen energetischen und evolutionären Vorteil.
Diese Zeiten sind jedoch lange vorbei, aber die Entdeckung des Geschmackssinns für Fett könnte sehr wohl erklären, warum fetthaltige Nahrung nach wie vor beliebter ist, als fettarme Varianten. Die Existenz des sechsten Geschmackssinnes könnte vielleicht die Welt unserer Ernährung und Diäten verändern...