Ein etwas ernsthaft dreinschauender Mann (eine Dame mit riesigem Lächeln in der englischen Version), Sommelier, heißt mich sodann willkommen, lässt mich die Weinkategorie wählen (zunächst weiß) und schon geht’s los.
Erste Frage, erstes Problem: Trinken Sie lieber trockene oder süße Weißweine?
Naja, möchte ich antworten, das kommt ganz drauf an – aufs Essen zum Beispiel, oder auf meine Laune, auf die Jahreszeit vielleicht und manchmal auch auf meine „Mittrinker“...
Also entschließe ich mich, diese erste, ebenso wie die nachfolgenden Fragen, hinsichtlich meiner Vorlieben zu bestimmten Aromen, zu säurebetonten und gehaltvollen Weinen, mit dem alternativen „weiß ich nicht“ zu beantworten, was man mir anbietet.
Das Ergebnis ist eher überraschend, zumindest sehr diplomatisch, denn statt mir vorzuwerfen, ich wäre entweder ein Spielverderber, oder aber zu dumm um Wein zu trinken, schlägt der WWW-Sommelier mir höflich vor, doch lieber persönlich in einem der Geschäfte vorbei zu schauen, da mehrere Weine meinem Geschmack und meinen Vorlieben entsprechen könnten...
Statt gleich auf den Rat zu hören und nach Quebec zu reisen, entschließe ich mich, den Test noch einmal zu machen, und zwar ernsthaft.
Also: Weißwein, trocken, komplex, mineralisch, säurebetont und vollmundig und, nach der Rebsorte gefragt, entscheide ich mich heute für Chardonnay.
Ergebnis: Meine Farbe ist blau, was hinsichtlich meiner Geschmacksvorlieben soviel heißt, wie „aromatisch und rund“. So weit, so gut, aber wo sind denn bloß meine Mineralität und Säure geblieben?
Also mache ich den Test noch einmal, beantworte alle Fragen gleich und entscheide mich am Ende aber für einen Sauvignon...
Jetzt ist gelb meine Farbe, Synonym für „fruchtig und frisch“...
Denken Sie wie ich...? Klar, zurück zum Anfang und den Test noch einmal gemacht, und zwar steht mir jetzt der Sinn nach einem knackfrischen Muscadet, der dritten Traubensorte, die man mir zur Auswahl stellt, und schon verwandelt sich meine Farbe in ein leichtes Grün, passend zu meiner Vorliebe zu delikaten und leichten Weinen...
Den Rest erspare ich Ihnen, denn Sie können sich ja vorstellen, dass ich den virtuellen Fragenbogen noch ein paar mal mehr beantwortet und dabei festgestellt habe, dass das Kriterium „Rebsorte“ nicht immer, aber doch häufig, die anderen Kriterien überspielt. Dieses Ergebnis entspricht einer eher aus dem Angelsächsischen stammenden Annäherung an Wein und Geschmack, eine Ansichtsweise, die leichter verständlich scheint für die Welt des Weinkonsums, und daher mehr und mehr Verbreitung findet, nicht zuletzt auch in Frankreich. Denn auch im Mutterland der Terroir-Weine, hat man inzwischen verstanden, dass es sinnvoll ist, nicht nur über Terroir zu sprechen, sondern auch über Rebsorten und vieles Andere, um dem Laien etwas vom Mysterium „Weingeschmack“ zu erklären (Ja, in Cahors baut man seit jeher Malbec an!).
Denn, zu unserem Glück wird der Geschmack eines Weines tatsächlich von einer Vielfalt von Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel von Boden und Klima, aber auch von der Reife der Traube und den Entscheidungen, die der Winzer im Keller trifft.
Nun gibt es sicherlich einige Gemeinsamkeiten zwischen den Weinen gleicher Rebsorten, jedoch hält sich die Formel „Chardonnay + Chardonnay = Chardonnay“ von der Wahrheit ziemlich fern. Und gleiches gilt natürlich für alle Rebsorten.
Der „aromatische und runde“ Chardonnay der SAQ entspricht daher wohl eher einem bestimmten Weinstil und einer bestimmten Geschmacksvorstellung, die man oft und gerne mit dieser Rebsorte in Verbindung bringt, und nicht etwa ihrer einzigen oder „typischen“ Ausdrucksweise.
Fazit?
Erstens: Ich mag die farbigen „Pastilles de goût“ ganz gerne, da sie ein wenig Farbe in die sonst doch etwas sterile Weinkauflandschaft des Internets bringen.
Zweitens: Der Laie kann sich auf diese Weise seinen ersten Weg durch den internationalen Wein-Jungle bahnen, ohne dass er sofort über unaussprechbare Herkunfts- und Qualitätsbezeichnungen, Grosse Gewächse und Premiers Crus stolpert.
Drittens: Die Annäherung ist eher spielerisch und entspannt und legt es auf den Geschmack an, statt aufs Etikett.
Viertens: Dem Beurteilungssystem fehlt allerdings ein wenig die Genauigkeit, indem es die Rebsorte in den Vordergrund stellt.
Fünftens: Also ziehe ich es persönlich weiterhin vor, bei meinem ersten Testergebnis, ohne definierbare Geschmacksvorliebe zu bleiben und schaue weiterhin lieber im einen oder anderen Weingut oder Geschäft vorbei, um meinen Wein zu kaufen. Oder in hohl mir jetzt ein Flugticket nach Kanada...