Tannine, oder Gerbsäure, sind eine komplizierte Geschichte. Sowohl bei der Weinverkostung, als auch von ihrer Chemie her. Schauen Sie mal...
Man findet sie vor allem in Rotwein, selten in Rosé-Wein und kaum in Weisswein. Sie stammen hauptsächlich aus der Traube, wo sie in Schalen, Kernen und Stielen hausen, können aber auch aus dem Eichenholz der Weinfässer stammen, in denen manche Weine reifen. Sie gehören zur Familie der Polyphenole (die natürlichen Anti-Oxidantien, die unserem Herz und Kreislaufsystem gut tun) und haben oftmals extrem diverse und komplexe Strukturen. Der Name „Tannin“ ist eher ein völkischer Spitzname, denn eigentlich heißen sie Catechin, Ellagitanin oder auch gerne Proanthocyanidol. Und es geht auch noch schlimmer... Der Kosename stammt vom Gerben, dass auf französisch „Tanner“ genannt wird. Daher stammt natürlich auch die äquivalente Bezeichnung „Gerbsäure“. Tannine hegen eine besonders enge Beziehung zu Proteinen, binden sich an sie und denaturieren sie. Beim Gerben werden die Häute dadurch haltbar und zu Leder gemacht.
Im Wein wird diese Affinität beim traditionellen „Schönen“ mit Eiweiß genutzt, und beim Verkosten von Rotwein ruft diese Reaktion ein etwas raues und trockenes Gefühl an Zunge, Lippen und Gaumen hervor, wenn die Tannine sich die Proteine in unserem Speichel schnappen. Das kann man sogar sehen, wenn man nach dem Probieren (und Spucken), einmal in den Ausguss schaut (am besten jeder in seinen eigenen...). Die kleinen, dunkelroten Schlieren die man dort sieht, sind nämlich waschechte Tannin-Protein-Komplexe.
Und wofür sind sie gut?
Tannine im Wein sind gut für den Geschmack! Die Tanninmenge einer Traube hängt vor allem von der Rebsorte ab. Während die Trauben von Cabernet Sauvignon, Malbec und Syrah viel Tannin enthalten, zeigen sie sich bei Grenache und Merlot eher mäßig, bei Cinsault und Spätburgunder sogar schwach in ihrem natürlichen Taningehalt. Der Geschmack der Tannine wiederum hängt eng mit der Traubenreife zusammen. Je reifer die Trauben, desto feiner und besser schmecken sie und geben dem Wein Struktur und Fülle. Fehlt die Reife, zeigen sich Tannine hart, bitter und spröde.
„Ich habe Pascal (Verhaeghe) nach dem Geheimnis phenolischer Reife und seidener Tannine gefragt. Er sagte mir, das man nach den Kernen schauen muss: Sie müssen vollkommen dunkel und braun sein, und wenn man sie zerkaut, müssen sie sogar ein wenig Süß schmecken. Da liegt der Schlüssel zum Geheimnis!“ (Auszug aus einem Artikel auf Wine & Design).
Die tatsächliche Menge, die man schließlich in der Flasche und im Glas findet, hängt wiederum mit der Wahl und der Arbeit der WinzerInnen zusammen. Sie entscheiden letzten Endes, wie viel Tannin sie aus den Trauben herausholen wollen, damit ihr Wein angenehm und ausgewogen schmeckt. Und je mehr Tannine in einem Rotwein stecken, desto länger sollte er reifen - im Fass, im Tank oder in der Flasche, um die Gerbsäuren im wahrsten Sinne „abzuschleifen“ und runder zu machen. Tannine scheinen auch zur Lagerfähigkeit der Weine beizutragen, wenn auch die Rechnung „viel Tannin = viel Lagerpotential“ nicht immer aufgeht. Außerdem gibt es viele feine, leichtere Rotweine und sogar Weißweine ohne Tannin, die lange gelagert werden können.
Wein ist eben keine Mathematik... Und wenn wir seinen Molekülen auch nach und nach auf die Spur kommen, behält er einige seiner Geheimnisse nach wie vor für sich.